Abgeordnete des Bundestags

Die Bundestagswahlen entscheiden darüber, welche Abgeordneten welcher Parteien in den deutschen Bundestag in Berlin einziehen. Aber welche Aufgaben und Rechte haben die Abgeordneten? Und welche Bedeutung kommt dem viel diskutierten „freien Mandat“ zu?
Wie viele Abgeordnete sitzen im Bundestag?
Der Deutsche Bundestag hat aktuell noch mindestens 598 Abgeordnete. Die Hälfte von ihnen wird in den 299 Bundestagswahlkreisen mit den Erststimmen der Wählerinnen und Wähler direkt gewählt. Die verbleibenden 299 Abgeordneten werden über die Landeslisten der Parteien bestimmt, wofür das Ergebnis der Zweitstimmen ausschlaggebend ist.
Die tatsächliche Zahl der Bundestagssitze steigt durch die Überhangmandate und Ausgleichsmandate jedoch an (Hintergrund: Wahlrechtsreform von 2013). Nach der Bundestagswahl 2021 lag die Zahl der Bundestagsabgeordneten bei 736, so viele wie noch nie. Inzwischen sind es noch 733 – ein FDP-Sitz entfiel nach der Wiederholungswahl in Berlin im Jahr 2023, zwei weitere CSU-Mandate wurden nicht nachbesetzt, als zwei Abgeordnete ausschieden.
Der 21. Bundestag, der 2025 gewählt wird, wird allerdings nicht größer sein als 630 Sitze. Hintergrund ist die Wahlrechtsreform, die eine sogenannte Zweitstimmendeckung enthält.
Der aktuelle 20. Bundestag ist etwas jünger und weiblicher als der vorige: Das Durchschnittsalter liegt bei 47,5 Jahren, so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die jüngste Abgeordnete war zu Beginn der Wahlperiode 23 Jahre alt. Der Frauenanteil stieg im Vergleich zur letzten Legislaturperiode leicht von 31 auf auf knapp 35 Prozent. Rund elf Prozent der Parlamentarier:innen haben einen Migrationshintergrund. 279 Abgeordnete waren neu im Parlament.
Mehr Infos zu den einzelnen Abgeordneten liefert der Bundestag.
Wie ist die aktuelle Sitzverteilung im Deutschen Bundestag?
Nach der Wahl im September 2021 gab es zunächst sechs Fraktionen im 20. Deutschen Bundestag: SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD, Die Linke. Hinzu kamen zwei fraktionslose Abgeordnete: einer vom Südschleswigschen Wählerverband (für die Partei gilt nicht die Fünf-Prozent-Hürde) und ein AfD-Parlamentarier.
Seit Dezember 2023 gibt es nur noch fünf Fraktionen, da zehn Abgeordnete die Linksfraktion verließen und diese damit zu klein für den Fraktionsstatus wurde. Stattdessen ist die Partei Die Linke nun als Gruppe im Bundestag organisiert, ebenso wie die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die stärkste Fraktion ist die der SPD (207) vor CDU/CSU (196) und Bündnis 90/Die Grünen (117). Es folgen FDP (91) und AfD (77). Am wenigsten Mitglieder haben die beiden Gruppen Die Linke (28) und BSW (10). Im Lauf der Legislaturperiode ist zudem die Zahl der fraktionslosen Abgeordneten auf 7 angewachsen (Stand: September 2024), weil mehrere AfD-Abgeordnete die Fraktion verlassen haben.
Dossier: Frauen in den Länderparlamenten
Über drei Jahrzehnte waren männliche Abgeordnete in den Landesparlamenten der Bundesrepublik Deutschland fast unter sich. Erst ab den 1990ern wuchs der Anteil weiblicher Abgeordneter kontinuierlich. Seit 2015 ist die Zahl der Mandatsträgerinnen jedoch in vielen Landesparlamenten wieder rückläufig.
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Was bedeutet das „freie Mandat“ der Abgeordneten?
Die Abgeordneten des deutschen Bundestages sind „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ - so heißt es in Artikel 38 des Grundgesetzes. Durch diese Vorgabe soll das freie Mandat der Abgeordneten garantiert werden; Abgeordnete sollen davor geschützt werden, dass bestimmte Interessengruppen, die eigene Partei oder Fraktion versuchen, ihr Verhalten (beispielsweise bei Abstimmungen) zu beeinflussen.
Die Garantie des „freien Mandats“ steht in einem Spannungsverhältnis zur Erfordernis der Fraktionsdisziplin. In der Praxis ist die Arbeit im Bundestag davon geprägt, dass sich die Abgeordneten (in der Regel der gleichen Partei) in Fraktionen zusammenschließen, um gemeinsam ihre Anliegen zu vertreten und Mehrheiten dafür zu organisieren. Dabei ist es durchaus üblich, dass „die Fraktionsführung oder andere Fraktionsmitglieder Druck auf den einzelnen Abgeordneten [ausüben], um ein einheitliches Abstimmungsverhalten aller Fraktionsmitglieder bei Abstimmungen im Plenum des Deutschen Bundestages oder in seinen Ausschüssen zu erreichen“ (Quelle: Bundestag).
Die Abgeordneten sind frei in der Wahl ihrer Fraktion
Wie lässt sich also das freie Mandat mit der Fraktionsdisziplin vereinbaren? Eine Stellungnahme des Bundestages weist darauf hin, dass die Abgeordneten frei sind in ihrer Entscheidung, sich einer Fraktion anzuschließen und sich deren Regeln zu unterwerfen – oder die Fraktion zu verlassen, wenn sie deren Entscheidungen nicht (mehr) mit ihrem Gewissen vereinbaren können. In der Geschichte des Bundestages und auch in der aktuellen Legislaturperiode gab es immer wieder Fälle von Abgeordneten, die ihre Fraktion verlassen oder gewechselt haben.
Andererseits handelt es sich bei der Fraktionsdisziplin um keine rechtliche Vorgabe. Abgeordnete dürfen nicht aus ihrer Partei ausgeschlossen werden, weil sie gegen die Abstimmungsvorgabe verstoßen haben. Allerdings ist es durchaus zulässig (und üblich), dass Abgeordnete, die gegen die Fraktionsdisziplin verstoßen, bei den folgenden Wahlen nicht mehr aufgestellt werden.
Wenn im Bundestag über besonders grundlegende oder sensible Fragen abgestimmt wird – so genannte „Gewissensentscheidungen“ –, wird die Fraktionsdisziplin häufig schon im Vorfeld aufgehoben. Kanzlerin Angela Merkel hatte zum Beispiel 2017 die Abstimmung über die „Ehe für alle“ – die Gleichstellung der Ehe homosexueller Paare mit der Ehe von Mann und Frau – zur Gewissensentscheidung für die Abgeordneten von CDU und CSU erklärt. Weitere Fälle waren, als der Bundestag 2015 über die Sterbehilfe oder 2011 über Gentests an Embryonen abstimmte.
Quellen
- Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages: Fraktionsdisziplin und Abgeordnetenstatus (2013)
- Bundestag.de: Freies Mandat und Fraktionsdisziplin
- tagesschau.de: Hintergrund Fraktionszwang (2015)
- Stern.de: Gewissensentscheidung im Bundestag (2011)
- Hamburger Abendblatt: Parteiwechsel (2011)
Welche Sonderrechte haben Abgeordnete?
Damit Abgeordnete des Bundestages bei der Ausübung des Mandats ihrem freien Gewissen folgen können, räumt ihnen Paragraph 46 des Grundgesetzes bestimmte Sonderrechte ein:
- Indemnität (von „indemnitas“, lateinisch für Schadlosigkeit) garantiert Abgeordneten das Recht auf freie Rede im Bundestag. Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seines Abstimmungsverhaltens oder wegen Äußerungen im Plenum oder in den Ausschüssen gerichtlich verfolgt werden. Dieses Recht soll die Freiheit des Mandats sicherstellen. Die Indemnität gilt nicht im Falle von verleumderischen Beleidungen oder von Äußerungen außerhalb des Bundestages, beispielsweise gegenüber der Presse.
- Immunität schützt Bundestagsabgeordnete vor Strafverfolgung. Die Polizei darf nur dann wegen einer mutmaßlichen Straftat ermitteln oder einen Parlamentarier verhaften, wenn der Bundestag dem zustimmt – was übrigens in der Praxis auch fast immer geschieht. Eine Ausnahme gilt dann, wenn ein Parlamentarier „auf frischer Tat“ ertappt oder einen Tag nach der Tat festgenommen wird. Mit der Immunität soll aber verhindert werden, dass zum Beispiel jemand aus politischen Gründen Abgeordnete anklagt und das Parlament dann nicht arbeitsfähig ist. Die Immunität gilt auch nur so lange, wie jemand ein Mandat im Bundestag hat.
- Zeugnisverweigerungsrecht begründet ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Abgeordneten und beispielsweise Bürger:innen aus ihrem Wahlkreis, das juristisch mit dem Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant vergleichbar ist. Nach Artikel 47 des Grundgesetzes sind Abgeordnete berechtigt, über bestimmte Personen und Tatsachen das Zeugnis zu verweigern; und zwar dann, wenn ihnen bestimmte Sachverhalte in ihrer Eigenschaft als Abgeordneter anvertraut wurden.
Quellen
- Grundgesetz: Artikel 46 und 47
- Der Tagesspiegel: Volksvertreter: Immunität (2016)
- Deutscher Bundestag: Glossar: Indemnität
- Deutscher Bundestag: Glossar: Immunität
Wie viel Geld erhalten Abgeordnete?
In Artikel 48 des Grundgesetzes ist festgelegt, dass Abgeordnete des Bundestages einen Anspruch haben auf eine „angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung“. Diese sogenannte Abgeordnetendiät beträgt 11.227,20 Euro monatlich (Stand: September 2024). Die Abgeordneten müssen auf ihre Bezüge Einkommenssteuer zahlen.
Dass Abgeordnete für ihre Arbeit im Bundestag bezahlt werden, soll sicherstellen, dass nicht nur finanziell abgesicherte Bürger:innen ein Abgeordnetenmandat übernehmen können. Der Begriff „Diäten" leitet sich vom lateinischen „dies" (der Tag) ab; es handelte sich ursprünglich also um ein Tagegeld.
Den Abgeordneten stehen zusätzlich zur Aufwandsentschädigung weitere Leistungen zu:
- Aufwandspauschale: Das sind 5.051,54 Euro im Monat, von denen Abgeordnete die Kosten für ein Wahlkreisbüro, eine Zweitwohnung in Berlin, Betreuung des Wahlkreises, Bücher, Zeitungen etc. abdecken müssen. Die Aufwandspauschale ist steuerfrei.
- Reisekosten: Wenn Abgeordnete in Ausübung ihrer Mandate reisen, dann übernimmt der Bundestag die Reisekosten. Das gilt nicht für private Reisen.
- Übergangsgeld: Wenn Abgeordnete aus dem Bundestag ausscheiden, erhalten sie ein Übergangsgeld. Diese finanzielle Leistung soll die Rückkehr in den früheren Beruf oder einen beruflichen Neuanfang finanziell abfedern. Je länger Abgeordnete dem Bundestag angehört haben, umso länger wird auch das Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetenentschädigung gezahlt: Wer dem Bundestag eine Legislaturperiode (vier Jahre lang) angehört hat, erhält vier Monate lang das Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetendiät. Die Höchstdauer beträgt 18 Monate.
- Altersentschädigung: Während der Zeit im Bundestag zahlen Abgeordnete nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Um das zu kompensieren, gibt es für frühere Bundestagsabgeordnete eine Altersentschädigung. Diese wird erst beim Erreichen des Rentenalters ausgezahlt (nicht bereits beim Ausscheiden aus dem Bundestag). Für jedes Jahr, dem Abgeordnete dem Bundestag angehört haben, gibt es eine Altersentschädigung in Höhe von 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung. Wenn Abgeordnete dem Bundestag also eine Legislaturperiode (vier Jahre) angehört haben, erhalten sie zehn Prozent der Abgeordnetenentschädigung. Das sind aktuell 1.122,72 Euro im Monat.
- Überbrückungsgeld (Sterbegeld): Wenn Abgeordnete versterben, haben ihre Hinterbliebenen Anspruch auf Überbrückungsgeld. Seine Höhe entspricht einer monatlichen Abgeordnetendiät. Wenn der oder die Abgeordnete länger als acht Jahre bzw. zwei Legislaturperioden im Bundestag war, ist es eine eineinhalbfache Abgeordnetendiät.
Quellen
- Deutscher Bundestag: Formen der Abgeordnetenentschädigung
- Deutscher Bundestag: Übergangsgeld
- Deutscher Bundestag: Altersentschädigung
Letzte Aktualisierung: September 2021, Internetredaktion LpB BW