Digitaler Wahlkampf

Auf Stimmenfang im Netz

Massenkundgebungen mit Politprominenz, Haustürwahlkampf oder Infostände in der Fußgängerzone – im Wahljahr 2021 können die Parteien wegen der Corona-Pandemie nicht wie gewohnt Wahlkampf betreiben. Stattdessen verlagert sich das Werben um die Gunst der Wählerinnen und Wähler überwiegend ins Netz. Doch was heißt digitaler Wahlkampf? Wie funktioniert der Stimmenfang über soziale Netzwerke? Und was bedeutet das für Parteien, Kandidierende und die Wählerschaft? Unser Dossier bietet einen Überblick.

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Kurz & knapp: Digitaler Wahlkampf

  • Analoger Wahlkampf (Haustürgespräche, Wahlkampfveranstaltungen, Wahlplakate, Wahlspots) und digitaler Wahlkampf im Internet und in sozialen Netzwerken sind eng miteinander verzahnt.
  • Immer mehr Menschen nutzen soziale Medien als Nachrichtenquelle: 2020 waren es 37 Prozent, in der Gruppe der 18- bis-24-Jährigen sogar über die Hälfte (56 Prozent).
  • Barack Obama zählt zu den Pionieren des digitalen Wahlkampfs, aber auch in Deutschland hat sich der Wahlkampf im Internet seit der Bundestagswahl 2017 professionalisiert und hat eine immer größere Bedeutung.
  • Der Wahlkampf im Internet soll im Wesentlichen vier Erfolgsfunktionen für die Parteien und Kandidierenden erfüllen: Informationsfunktion, Vernetzungsfunktion, Teilhabefunktion und Mobilisierungsfunktion.
  • Drei Typen von Netzinhalten lassen sich unterscheiden: Kernthemen und zentrale politische Botschaften; Agenda-Setting und Agenda-Surfing; krisenkommunikative Inhalte.
  • Hinter Microtargeting verbirgt sich personalisierte Werbung für eine ganz bestimmte Zielgruppe. Microtargeting als Wahlkampfinstrument bietet Chancen, aber auch Risiken für Parteien, Kandidierende und die Wählerschaft.
  • Für die Wählerinnen und Wähler kann der digitale Wahlkampf eine Bereicherung darstellen, da sie sich umfassend informieren und mit Kandidierenden oder Gleichgesinnten vernetzen können. Der Stimmenfang im Netz birgt aber auch Gefahren wie die Entstehung von Filterblasen mit eingeschränkten Informationen, die Verbreitung von Fake News oder das Aufkommen von Social Bots, die Diskussionen einseitig lenken und beeinflussen.

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Was ist digitaler Wahlkampf?

Wahlkampfveranstaltungen, Haustürgespräche, Wahlplakate, Fernsehduelle oder Wahlwerbespots im Rundfunk – all diese Instrumente gehören zu den klassischen, analogen Formen des Wahlkampfs. Doch seit einigen Jahren nehmen die Parteien das Internet und hier insbesondere soziale Netzwerke vermehrt in den Blick, wenn es darum geht, Wählerinnen und Wähler zu erreichen.

Einer der ersten Politiker, der den Wahlkampf mit seiner Online-Kampagne revolutionierte, war Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf 2008 (Quelle: Zeit online). Auch wenn der Stimmenfang im Netz hierzulande im Vergleich zu den USA noch in viel geringerem Ausmaß vonstatten geht, so investierten die Parteien bei der Bundestagswahl 2017 oder der Europawahl 2019 immer mehr Geld, Zeit und Personal in ihre digitalen Kampagnen. Sie sind mittlerweile parteiübergreifend fester Bestandteil jeder Wahlkampfstrategie.

Grundsätzlich lassen sich der Offline- und der Online-Wahlkampf nicht voneinander trennen. Dank massenhaft erhobener Daten im Internet können Parteien beispielsweise herausfinden, in welchen Gemeinden oder Stadtteilen es noch viele unentschlossene Wählerinnen und Wähler gibt. Dort veranstalten sie gezielt Kundgebungen oder gehen von Haustür zu Haustür. Zugleich werden Wahlveranstaltungen live ins Netz gestreamt und erreichen so ein weitaus größeres Publikum. Analoger und digitaler Wahlkampf sind eng miteinander verzahnt, das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Dennoch folgen soziale Netzwerke ihrer eigenen Kommunikationslogik, weshalb Wahlkampfstrateg:innen ihre Kampagnen und einzelne Formate jeweils daran anpassen müssen, um die potenzielle Wählerschaft optimal zu erreichen.

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Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf den Wahlkampf?

Aufgrund der Corona-Pandemie findet der persönliche Wahlkampf bei Kundgebungen, an der Haustür oder in der Fußgängerzone in viel geringerem Maße statt als bei vergangenen Wahlen. Dadurch fehlt der persönliche Austausch und Kontakt. Stattdessen erlebt zum einen das Wahlplakat eine Renaissance. Die Parteien in Baden-Württemberg haben für die Landtagswahl 2021 im Vergleich zur letzten Wahl anderthalb bis doppelt so viele Plakate drucken lassen (Quelle: Deutschlandfunk). Der Aufwand hat sich gelohnt: Eine gemeinsame Studie von forsa und der Universität Hohenheim hat herausgefunden, dass Wählerinnen und Wähler am häufigsten Wahlplakate wahrgenommen haben (68 Prozent der knapp 3.900 Befragten) (Quelle: Universität Hohenheim).

Überdies verlagert sich der Wahlkampf vermehrt ins Netz und ist vor allem für jüngere Wählerinnen und Wähler zwischen 18 und 29 Jahren zunehmend wichtig (Quelle: Universität Hohenheim). Es gibt fast keine Partei, keinen Ortsverband oder Kandidierenden, die bzw. der nicht mit eigenem Internetauftritt, Twitter-Account, YouTube-Kanal oder persönlicher Facebook-Fanpage aufwartet. Kampagnen ausschließlich fürs Internet und bestimmte Plattformen werden entwickelt. Das ist arbeits-, zeit- und kostenintensiv.

Neben den erhöhten Aktivitäten im Netz und Ausgaben für den digitalen Wahlkampf verschiebt sich wegen der Corona-Pandemie auch der Zeitraum des Wahlkampfs. Bisher war die „heiße“ Wahlkampfphase kurz vor der Wahl. Wenige Tage vor dem eigentlichen Wahltag warben die Parteien massiv um noch unentschlossene Wählerinnen und Wähler. Wegen der Pandemie wird jedoch bei allen Wahlen mit einem starken Anstieg der Briefwahl gerechnet. Bei der Landtagswahl von Baden-Württemberg am 14. März 2021 stimmten 51,3 Prozent der Wahlberechtigten per Brief ab. Das ist eine Verdoppelung gegenüber der Landtagswahl 2016 (Briefwahlanteil: 21 Prozent) (Quelle: Statistisches Landesamt).

Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden damit früher, wen sie wählen. Für die Parteien bedeutet das: Auch ihr Wahlkampf muss früher beginnen und im Prinzip ist jeder Tag ein potenzieller Wahltag, gerade im Internet. Schließlich müssen sich die Parteien Strategien überlegen, wie man ältere Menschen, die in der Regel weniger netzaffin sind, im Wahlkampf erreichen kann.

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Wahljahr 2021: Wo stehen die Parteien beim Digitalen?

In den letzten Jahren hat der Stimmenfang im Netz an Professionalität gewonnen und auch die finanziellen und personellen Ressourcen — nicht zuletzt für den Einsatz von Microtargeting — haben erheblich zugenommen. Fachleute sind sich einig, dass der Wahlkampf in den sozialen Medien gerade auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie im Wahljahr 2021 mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl Ende September 2021 ein noch bedeutenderer Erfolgsfaktor sein wird.

Bundestagswahl

Für den Wahlkampf auf Bundesebene sieht ein Politikberater die AfD und die Grünen am besten gerüstet. Noch immer erziele die AfD auf Facebook die mit Abstand meisten Interaktionen und habe auf der populären Plattform YouTube eine große Gefolgschaft mit hoher Nutzungsdauer. Andere Parteien täten sich mit YouTube dagegen weiterhin schwer. Die Grünen dagegen hätten seit der letzten Bundestagswahl ihre Follower insbesondere bei Twitter und Instagram ausgebaut und könnten dadurch sowohl den medialen Diskurs beeinflussen als auch jüngere Menschen erreichen. Während die FDP und SPD im Mittelfeld rangiert, hätten CDU und die LINKE noch Nachholbedarf (Quelle: tagesspiegel.de).

Social Media-Kanäle der Parteien

  • Abonnent:innen auf Instagram (in Tausend)

  • Follower auf Twitter (in Tausend)

  • Abonnent:innen auf YouTube (in Tausend)

*Die Abonnent:innen der YouTube-Kanäle der CDU und SPD waren nicht ermittelbar.
Die Zahlen hat die LpB BW selbst recherchiert, Stand: 15.06.2021.

Die Wahlkampfbudgets der Parteien für die Bundestagswahl fallen unterschiedlich aus: Die CDU hat 20 Millionen Euro zur Verfügung, die CSU geschätzte zehn Millionen Euro, die SPD 15 Millionen Euro — etwa zehn Millionen Euro weniger als bei der letzten Bundestagswahl, was unter anderem mit der niedrigeren staatlichen Parteifinanzierung aufgrund schlechterer Wahlergebnisse zu tun hat. Die Grünen legen dagegen kräftig zu und können — auch nach großzügigen Spenden — über zehn Millionen Euro in diesen Wahlkampf investieren statt bisher sechs Millionen Euro. Fürs Digitale verdoppeln die Grünen ihre Ausgaben in diesem Jahr auf 2,5 Millionen Euro (Quelle: Horizont). Mit 6,8 Millionen Euro, sechs und fünf Millionen Euro stehen DER LINKEN, der FDP und der AfD deutlich weniger finanzielle Mittel für den Bundestagswahlkampf zur Verfügung (Quelle: Horizont).

Landtagswahl Baden-Württemberg

Bei der Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg lässt sich anhand der Kosten erahnen, welchen Stellenwert der digitale Wahlkampf eingenommen hat: Bei den Grünen gingen von 1,6 Millionen Euro Wahlkampfetat 300.000 Euro auf das Konto des digitalen Auftritts. Vor fünf Jahren entfielen von einer Gesamtsumme von 1,3 Millionen Euro gerade mal 50.000 auf das Digitale. Bei der SPD mit einem Wahlkampfbudget zwischen 1,8 und 1,9 Millionen Euro hat sich der Betrag für Werbung in den sozialen Medien verfünffacht. Auch die CDU hat beim Digitalen massiv zugelegt: Von 2,5 Millionen Euro Wahlkampfausgaben standen dafür 500.000 Euro bereit — 2016 waren es bei gleichem Budget nur 20.000 Euro. Seit 2017 hat die Partei eigens eine Digitalagentur engagiert. Bei der FDP floss etwa ein Drittel der Gesamtsumme von 800.000 Euro in digitale Angebote — vor fünf Jahren war es ein deutlich kleinerer Anteil von den insgesamt 600.000 Euro (Quelle: EGovernment Computing).

Das Meinungsforschungsinstitut forsa und die Universität Hohenheim befragten in der heißen Wahlkampfphase zwischen dem 22. Februar und 7. März 2021 3.874 Menschen und untersuchten, wie sie den Wahlkampf in Baden-Württemberg wahrnehmen. Bezogen auf Social Media wurde deutlich, dass der Wahlkampf im Netz im Vergleich zu früheren Wahlkämpfen wichtiger geworden ist, insbesondere bei jüngeren Leuten zwischen 18 und 29 Jahren. Wahlkampfinformationen wurden am häufigsten über Facebook wahrgenommen (20 Prozent), gefolgt von YouTube und Instagram. Für 18- bis 29-Jährige spielten Bild-orientierte Kanäle wie YouTube oder Instagram eine größere Rolle. Bei den 30- bis 44-Jährigen war es hingegen Facebook. Doch insgesamt blieben die Reichweiten der Wahlkreiskandidierenden überschaubar: Nur knapp zehn Prozent der Wählerinnen und Wähler erfuhren etwas über die Kandidierenden der CDU, Grünen und SPD via Social Media, bei den Kandidierenden der AfD, FDP und von DIE LINKE waren es gerade einmal drei bis sieben Prozent. Und auch die Aktivitäten der Wählerinnen und Wähler hielten sich in Grenzen: Ein Drittel der Wählerinnen und Wähler lasen Inhalte zur Landtagswahl auf diversen Kanälen, 16 Prozent „likte“ etwas. Darüber hinaus waren nur sehr wenige aktiv (Quelle: Universität Hohenheim).

Mehr zu den Wahlkampagnen der Parteien zur Landtagswahl in Baden-Württemberg am 14. März 2021

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Brauchen Parteien soziale Medien für den Wahlsieg?

Laut des vom Leibniz-Institut für Medienforschung/Hans-Bredow-Institut jährlich herausgegebenen Reuters Institute Digital News Report 2020 wächst der Anteil an Menschen, die soziale Medien als Nachrichtenquelle nutzen. 2020 waren dies 37 Prozent der befragten Onliner, im Jahr davor 34 Prozent. In der Gruppe der 18- bis-24-Jährigen ist es sogar über die Hälfte (56 Prozent). Dreißig Prozent der jungen Menschen gaben an, soziale Medien seien ihre wichtigste Nachrichtenquelle, während erwachsene Onliner immer noch das Fernsehen als wichtigste Nachrichtenquelle bezeichneten (42 Prozent). Doch auch bei den älteren Befragten steigt der Anteil derjenigen, die das Internet als Hauptnachrichtenquelle angaben von 36 Prozent in 2019 auf 38 Prozent in 2020.

Grundsätzlich lässt sich nicht nachweisen, ob ein persönliches Gespräch mit einer Wahlkreiskandidatin bzw. einem -kandidaten in der Fußgängerzone, ein Wahlplakat oder ein YouTube-Video ausschlaggebend für ein bestimmtes Wählerverhalten war. Am Ende sind es verschiedene Beweggründe, die eine Wählerin oder einen Wähler dazu veranlassen, das Kreuzchen bei einer bestimmten Partei oder einem Kandidierenden zu machen. Dennoch ist es heute schlichtweg unmöglich, online nicht aktiv zu sein. Um als Partei oder Kandidat:in innovativ und zeitgemäß zu wirken, dürfen Aktivitäten im Internet und insbesondere in den sozialen Medien nicht fehlen. Es schmeichelt jedem und jeder Kandidierenden, wenn er oder sie beim digitalen „Horse Race“ in puncto Followern, Fans, Retweets oder Kommentaren die Nase vorn hat, auch wenn deren Bedeutung und Relevanz wissenschaftlich umstritten ist. Zum Wahlkampf gehören sie schlichtweg dazu (Quelle: BpB). Daher investieren die Parteien Millionen in ihre Wahlkämpfe, engagieren Digitalexpert:innen und veranschlagen immer höhere Budgets fürs Digitale.

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Wie funktioniert Wahlkampf im Netz?

Erfolgsfunktionen

Der Wahlkampf im Internet soll im Wesentlichen vier Erfolgsfunktionen für die Parteien und Kandidierenden erfüllen:

Informationsfunktion

Im Internet und den sozialen Netzwerken können Parteien und Kandidierende eine Fülle an Informationen zu ihrer Person und den unterschiedlichsten Themen platzieren, egal ob es sich dabei um ein Nischenthema für eine sehr kleine Zielgruppe oder ein breit diskutiertes und von den Massenmedien intensiv begleitetes Problem handelt. Durch den eigenen Internetauftritt, aber vor allem durch regelmäßige Beiträge in den sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter lässt sich ein digitales Image aufbauen und die eigenen Standpunkte und politischen Botschaften im Vergleich zu den Mitbewerberinnen und Mitbewerbern darlegen.

In der Regel suchen Menschen in den sozialen Netzwerken nicht gezielt nach einer Partei, sondern nach bestimmten Themen und Interessen. Außerdem folgen sie ihren Freunden oder anderen für sie interessanten Personen und Seiten. Dadurch generieren sie sich ihren persönlichen Nachrichtenraum. Algorithmen tun ihr Übriges, um einer Nutzerin oder einem Nutzer potenziell interessante Beiträge zu empfehlen. Mit prägnanten politischen Botschaften oder Beiträgen zum Nachrichtengeschehen muss es Parteien und Kandidierenden gelingen, ihren Platz in diesem persönlichen Nachrichtenraum zu finden und so sichtbar zu werden. Wählerinnen und Wähler kommen nicht mehr wie am Infostand in der Fußgängerzone oder bei Wahlkampfkundgebungen zu den Parteien. In den sozialen Netzwerken müssen die Parteien zu den Wählerinnen und Wählern durchdringen. Das macht den Wahlkampf im Netz zielgerichteter, aber auch schwieriger.

Vernetzungsfunktion

Dank sozialer Medien können sich Parteien und Wahlkämpfer:innen mit Parteifreunden sowie potenziellen Wählerinnen und Wählern vernetzen. Dies kann die Kommunikation zwischen Politik und Bevölkerung intensivieren und den politischen Diskurs um weitere Standpunkte erweitern. Unbekanntere Kandidierende können von dieser Vernetzung im Wahlkampf profitieren, indem sie sich im Netz aktiv präsentieren. Ein Gradmesser für die Vernetzungsstärke und -dynamik ist die Anzahl an Followern und Fans, die den Accounts bei Facebook, Twitter, YouTube oder Instagram folgen bzw. diese abonniert haben.

Teilhabefunktion

Mit der Vernetzungsfunktion geht die Teilhabefunktion einher, sprich wie viele Fans und Follower die veröffentlichten Beiträge lesen (sogenannte „Views“) oder liken und so passiv an einer Diskussion oder einem Thema teilhaben.

Mobilisierungsfunktion

Hier kommt schließlich die Mobilisierungsfunktion ins Spiel. Es reicht nicht aus, nur möglichst viele Follower und Fans zu haben. Von zentraler Bedeutung ist es, ob die Parteien es schaffen, diese Personen zu einer aktiven Handlung zu bewegen. In den sozialen Netzwerken geht es vor allem darum, wie viele Likes, Retweets oder Kommentare die veröffentlichten Beiträge erhalten. Denn: Je mehr geliked, geteilt und kommentiert wird, desto höher stufen die Plattformen anhand komplexer Algorithmen die Wichtigkeit solcher Beiträge ein, was wiederum zu noch höherer Reichweite führt. Und selbstverständlich ist es Ziel der Parteien und Kandidierenden, möglichst viele ihrer digitalen Anhänger:innen am Ende auch dazu zu bewegen, sich beispielsweise als Wahlhelferin bzw. Wahlhelfer zu engagieren oder ihnen ihr Kreuzchen in der Wahlkabine zu geben.

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Über was sprechen Parteien im digitalen Wahlkampf?

Grundsätzlich lassen sich drei Typen von Netzinhalten unterscheiden:

Kernthemen und zentrale politische Botschaften
Herzstück des digitalen wie analogen Wahlkampfs ist die Platzierung zentraler politischer Botschaften. Dies geschieht digital beispielsweise über Instagram-Stories oder in YouTube-Videos, aber auch analog auf Plakaten oder in Rundfunk-Wahlwerbespots.

Agenda-Setting und Agenda-Surfing
Politikerinnen und Politiker äußern sich immer häufiger — meist über ihren Twitter-Account — zu aktuellen Nachrichten und dem politischen Weltgeschehen. Durch massenhafte Verbreitung ihres Beitrags werden sie Teil des Nachrichtengeschehens und können so Journalist:innen als bisherige Gatekeeper (Begriff aus der Nachrichtenforschung, englisch für „Pförtner“) des Nachrichtenstroms umgehen. Prominentes Beispiel hierfür ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump, der mit seinen Tweets beinahe täglich Schlagzeilen machte.

Doch auch weniger bekannte Gesichter können mit Agenda-Setting im Netz Aufmerksamkeit erregen. So sorgt der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer von Bündnis 90/Die Grünen mit seinen politischen Äußerungen in den sozialen Medien immer wieder für Furore und ist als Kommunalpolitiker mittlerweile bundesweit bekannt. Mit pointierten und zitierfähigen Tweets schaffen es Politikerinnen und Politiker aber auch direkt in die mediale Berichterstattung. Tageszeitungen, Online-Magazine und Nachrichtensendungen veröffentlichen regelmäßig deren Tweets. Die Interaktion zwischen Politik und Journalismus wird in und durch soziale Netzwerke massiv gesteigert und lässt sich für den Wahlkampf entsprechend nutzen.

Andererseits gibt es mittlerweile neue Gatekeeper in den sozialen Medien: Influencer auf YouTube etwa erzielen Reichweiten, von denen viele Politiker:innen nur träumen können. So ließen sich im Vorfeld der letzten Bundestagswahl Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Spitzenkandidatin von CDU/CSU, und Martin Schulz, Kanzlerkandidat der SPD, jeweils von vier jungen Internetstars interviewen. Parteien sollten diese noch relativ neuen Meinungsführer:innen im Netz also nicht außer Acht lassen, wenn sie besonders bei jungen Wählerinnen und Wählern punkten wollen.

Krisenkommunikative Inhalte
Falschmeldungen verbreiten sich oft rasent schnell im Internet und lassen sich nur schwer wieder einfangen. Sie können daher das politische Image eines Kandidierenden nachhaltig beschädigen. Daher ist es Aufgabe des Wahlkampfteams, Fake News möglichst rasch zu identifizieren und richtigzustellen. Auch die Kommentarspalten zu Beiträgen in sozialen Netzwerken müssen von Beschimpfungen und Äußerungen jenseits der Meinungsfreiheit, sogenannter Hate Speech, sauber gehalten werden, da die Beiträge ansonsten weniger geteilt werden.

Quellen: politik & kommunikation, Zukunftsinstitut

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Was sind die Chancen und Risiken von Microtargeting?

Definition von Microtargeting

Microtargeting heißt zunächst einmal „sehr präzises Zielen“ und meint im digitalen Kontext personalisierte Werbung für eine ganz bestimmte Zielgruppe. Beim Microtargeting geht es darum, basierend auf Datenanalysen Nutzerinnen und Nutzern von sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen zielgerichtete Werbung anzeigen zu lassen. Parteien nutzen Microtargeting im Wahlkampf, um einer genau definierten Gruppe politische Botschaften gezielt beispielsweise über Facebook oder Google zu übermitteln.

Mit Microtargeting ist es Parteien möglich, eine Zielgruppe anhand soziodemografischer und sozioökonomischer Daten zu identifizieren und diesem Personenkreis bestimmte politische Botschaften in Form von Werbeanzeigen zu zeigen. Ziel ist es, dieser Zielgruppe zu vermitteln, was man als Partei zu bieten hat, und bestenfalls Wählerstimmen zu gewinnen. Mithilfe dieses datengetriebenen Campaignings lassen sich Ressourcen im Wahlkampf zielgerichtet einsetzen. Anhand von Likes, Kommentaren und Retweets der Nutzerinnen und Nutzer wird eine Kampagne dann immer feiner auf deren Interessen abgestimmt. Die Reaktionen der User beeinflussen Form und Inhalt der weiteren Wahlwerbung.

Mit Microtargeting ist es jedoch auch möglich, andere Parteien bei deren potenziellen Wählerinnen und Wählern durch gezielte Anzeigen in ein schlechtes Licht zu rücken. So sollen Menschen verunsichert und demobilisiert werden. Im US-Wahlkampf 2020 war diese Form des negativen Microtargetings weit verbreitet.

Da die Kommunikation in den sozialen Medien fragmentiert ist, sieht man immer nur einen kleinen Teil der politischen Botschaften. So besteht das Risiko, dass Parteien durch Microtargeting widersprüchliche Botschaften je nach Zielgruppe verbreiten und dadurch das Wahlprogramm in seiner Ganzheit verschleiern. Nutzer:innen erhalten ausschließlich Beiträge zu Themen, die sie sowieso interessieren, erfahren jedoch nicht, für welche politischen Standpunkte eine Partei möglicherweise auch noch steht. Sich ausschließlich über soziale Medien ein umfassendes Bild von Parteien und ihren Wahlkampfthemen zu machen, ist also schwierig.

Eine weiteres Problem besteht darin, dass nicht eindeutig definiert ist, was als politische Werbung im Internet zu werten ist. Dagegen gibt es für Wahlwerbespots im Rundfunk oder politische Anzeigen in Printmedien klare Regularien. Google und damit auch YouTube machen beispielsweise politische Werbung an politischen Akteuren fest, Facebook und Instagram dagegen anhand politischer Inhalte. Beides ist intransparent und fehleranfällig. So können Parteien und Kandidierende Beiträge in den sozialen Medien streuen, die nicht explizit als Werbung gekennzeichnet sind. Die Grenzen zwischen reiner Information und tendenziöser Wahlwerbung verschwimmen und sind für die Nutzer:innen nicht unbedingt klar erkennbar.

Um für mehr Transparenz unter anderem bei politischer Werbung zu sorgen, unterzeichneten Vertreter:innen führender Online-Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter 2018 einen Verhaltenskodex für Desinformation mit der Europäischen Kommission. Damit legt sich die Branche freiwillige Verhaltensrichtlinien im Kampf gegen Desinformation und Fake News auf. Doch viele Fachleute kritisieren den Kodex gerade wegen seiner Freiwilligkeit und der schwammigen Formulierungen als unzureichend. Wissenschaftler:innen erhalten weiterhin nur unzulänglich Zugang zu den Daten, um unabhängige Analysen beispielsweise zu politischer Werbung durchzuführen.

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Wie erfolgreich sind Parteien im Netz?

Bundestagswahl 2017

Während Barack Obama bereits 2008 auf Stimmenfang im Netz ging, erfolgte hierzulande der erste wirklich professionelle digitale Wahlkampf im Jahr 2017 bei der Bundestagswahl. In einer Studie der Quadriga Hochschule Berlin wurde das digitale Campaigning von Parteien im Bundestagswahlkampf 2017 analysiert. Dabei wurden die parteilichen Aktivitäten anhand der digitalen Kampagnen­funktionen Information, Vernetzung, Teilhabe und Mobilisierung auf Face­book, Twitter, Instagram, YouTube und per E-Mail in der engeren Wahlkampfphase im August und September 2017 untersucht. Einige zentrale Ergebnisse der Studie:

  • Die CDU war auf allen digitalen Plattformen sehr gleichmäßig unterwegs und verfolgte den ausgewogensten Informationsansatz.
  • In puncto Vernetzung waren SPD und FDP am erfolgreichsten. Sie generierten im Laufe des Wahljahres die meisten Fans und Follower.
  • Die stärkste Teilhabe, sprich Likes und Views für Beiträge und Tweets, erzielten die Grünen und die SPD, dicht gefolgt von der AfD.
  • Bei der Mobilisierung ihrer Nutzerinnen und Nutzer, die Beiträge und Tweets aktiv kommentierten und weiterverbreiteten, landete die AfD vor allen anderen Parteien. Bemerkenswert ist, dass die AfD beim Bundestagswahlkampf 2017 als einzige Partei auf Microtargeting bei Facebook zurückgriff.
  • Vergleicht man die Parteien insgesamt in ihrer digitalen Performance, so teilten sich zwei Parteien den ersten Platz: die SPD und die AfD.

„Die Sozialdemokraten verstanden es, sich auf allen Plattformen zu vernetzen, mit relativ vielen Informationen eine höhere Teilhabe als Vergleichsparteien zu erreichen. Dagegen punktete die AfD besonders mit ihrer plattformübergreifend hohen Mobilisierung durch relativ viele Informationen und eine loyale Anhängerschaft.“ (Quadriga-Studie, S. 8).

Europawahl 2019

Die Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte eine Analyse der digitalen Wahlkampfstrategien zur Europawahl 2019 in Deutschland und Österreich unter der Fragestellung „Wie funktioniert Social-Media-Wahlkampf?“. Einige Ergebnisse aus dem Länderbericht Deutschland lauten:

  • Die größten Reichweiten erzielten die AfD und DIE PARTEI durch sehr aktive Communities und hohe Interaktionsraten. Beide Parteien setzten auf selbst generierte Inhalte, weniger auf Werbung und konnten vor allem durch emotionale Ansprache und Satire punkten.
  • YouTube gehört zu den zentralen Plattformen, gerade für jüngere Leute. Doch den Parteien und Kandidierenden gelang es nur mäßig, hier mit ihren Inhalten sichtbar zu werden und eine Community aufzubauen.
  • Instagram war im Europawahlkampf eine der wichtigsten und relevantesten Plattformen. Die Parteien erzielten hier mehr Likes und Kommentare und damit mehr Interaktion als bei Facebook, obwohl die Facebook-Profile der Parteien weitaus länger bestehen.
  • Werbung und Targeting gehört zum Standardrepertoire im Wahlkampf. Hierfür werden immer größere Budgets bereitgestellt. Die CDU und die Grünen agierten diesbezüglich am professionellsten.

Hintergrund: Studie zu Microtargeting bei der Europawahl 2019

Eine weitere Studie zur Europawahl 2019 gaben die Landesanstalt für Medien NRW, die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg und die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz in Auftrag. Hier lag der Fokus der Untersuchung auf bezahlter politischer Werbung in sozialen Netzwerken (Quelle: Landesanstalt für Medien NRW). Einige zentrale Ergebnisse der Studie „Microtargeting in Deutschland bei der Europawahl 2019“, bei der die Wissenschaftler:innen Zugang zu den Werbearchiven von Facebook und Google hatten:

  • In Deutschland spielt Microtargeting noch eine untergeordnete Rolle.
  • Die CDU investierte mit knapp 560.000 Euro, ungefähr zu gleichen Teilen aufgeteilt auf Facebook und Google, mit Abstand das meiste Geld in politische Werbung und verfolgte wie die anderen Parteien eine Microtargeting-Strategie.
  • Die AfD hingegen investierte mit nur ca. 45.000 Euro, ungefähr zu gleichen Teilen aufgeteilt auf Facebook und Google, am wenigsten und betrieb kein Microtargeting. Dennoch erzielte die Partei zehnmal so viel Interaktion und damit eine viel größere organische Reichweite in den sozialen Netzwerken als die anderen Parteien.

„Wir haben in unseren Analysen festgestellt, dass Microtargeting bisher nur einen kleinen Teil der Aktivitäten der Parteien in Wahlkämpfen ausmacht. Gleichzeitig sehen wir die extreme Reichweite, die die AfD mit ihren Posts erreicht. Diese werden nicht als Werbung gekennzeichnet und so gibt es hier eine bedenkliche Verzerrung im politischen Onlinediskurs. Bisher wird diese jedoch weder von den Plattformen noch von der Regulierung erfasst.“

Simon Hegelich, Leiter der Studie

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Was braucht erfolgreicher digitaler Wahlkampf?

Sowohl die Studie der Quadriga Hochschule Berlin zur Bundestagswahl 2017 als auch die Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Europawahl 2019 benennt verschiedene Erfolgsfaktoren für eine gelungenen Kampagne im Netz:

  • Digitaler und analoger Wahlkampf müssen zusammen gedacht werden, beide verschmelzen miteinander und befruchten sich gegenseitig.
  • Das Internet ist schnelllebig und Parteien wie Kandidierende müssen Wahlkampf im Netz in Echtzeit betreiben. Wahlkampfveranstaltungen werden live gestreamt und reale Events über Social-Media-Kanäle begleitet und kommentiert. Reaktionen auf Inhalte oder Kommentare zu Beiträgen müssen möglichst unmittelbar erfolgen. Die Wählerinnen und Wähler haben so das Gefühl, hautnah und kostenlos Teil des Wahlkampfes zu sein.
  • Aufgrund der Vielzahl an digitalen Plattformen müssen sich Parteien genau überlegen, welche Netzwerke sie mit welchen Inhalten für welche Zielgruppe bespielen und wie sie ihre Aktivitäten sinnvoll miteinander vernetzen.
  • Beim Stimmenfang im Netz sollten sich Parteien auf wenige zentrale Botschaften beschränken und diese klar und verständlich vermitteln. Andernfalls wird eine Partei als diffus wahrgenommen.
  • Inhalte in sozialen Netzwerken leben von ihrer Authentizität und ihrer Emotionalität. Sie sollten nicht abstrakt, sondern anschaulich und für die Nutzer:innen greifbar und emotional nachvollziehbar sein. Unterhaltsame Beiträge, gepaart mit einer Portion Humor, erzielen die besten Reichweiten.
  • Es reicht nicht aus, im Wahljahr aktiv zu sein. Vielmehr müssen Parteien kontinuierlich eine Gemeinschaft an Fans und Followern aufbauen und diese Anhängerschaft dauerhaft pflegen. Eine loyale Gefolgschaft lässt in der heißen Wahlkampfphase dann leichter mobilisieren.
  • Die Webseite bleibt auch weiterhin zentraler Ort für die Präsentation von Personen und Inhalten. Doch zunehmend werden Inhalte ausschließlich in und für soziale Netzwerke generiert. Eine sinnvolle Verzahnung beider Bereiche sorgt für mehr Reichweite.
  • Datengetriebenes Campaigning und bezahlte politische Werbung gehört zum digitalen Wahlkampf mittlerweile dazu. Nur so lassen sich Reichweite und Interaktion steigern und damit die Aufmerksamkeit auf die eigenen Botschaften lenken. Mit der zunehmenden Bedeutung von politischer Kommunikation und Werbung im Internet stellen sich aber auch Fragen nach einer sinnvollen Regulierung und einem angebrachten Umgang mit Daten.

Klar ist aber auch: Wahlkampf im Internet ist nur ein Faktor von vielen. Wer erfolgreich im Netz ist, muss das nicht unbedingt auch an der Wahlurne sein.

Hintergrund: Welche Rolle spielen soziale Medien bei Parteispenden?

Zwischen der Wahlkampffinanzierung in Deutschland und den USA gibt es zwei große Unterschiede: Erstens spielen die Parteien bei den Landtags- oder Bundestagswahlen eine viel größere Rolle als bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. Und zweitens finanzieren sich Parteien in Deutschland zu einem großen Teil aus staatlichen, d. h. Steuermitteln. Dabei gilt allerdings die Regel, dass eine Partei nicht mehr Geld durch staatliche Unterstützung erhalten darf als durch Mitgliederbeiträge und Spenden (Quelle: BpB).

In den USA hingegen sind in erster Linie die Kandidat:innen selbst für die Finanzierung ihrer Kampagnen zuständig. Staatliche Unterstützung aus Finanzmitteln gibt es für den Wahlkampf nicht — deshalb spielen Spenden eine viel wichtigere Rolle für den Wahlkampf als in Deutschland. Dementsprechend professionell und ausgeklügelt sind in den USA auch die Social-Media-Kampagnen, um Spenden für den Wahlkampf zu generieren.

Hierzulande spielen Parteispenden generell eine geringere Rolle, in Wahljahren fallen sie höher aus als sonst. Spitzenreiter bei der Generierung von Spenden im Jahr der Bundestagswahl 2017 war die Union. Mehr als 44 Prozent der Einnahmen von CDU und CSU stammten aus Spenden. Schlusslichter waren DIE LINKE und die SPD mit jeweils acht Prozent. Wie viele der Spenden von den Parteien online erzielt wurden, ist nicht bekannt (Quelle: Deutscher Bundestag).

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Was bedeutet digitaler Wahlkampf für die Wählerinnen und Wähler?

Für Wählerinnen und Wähler kann der Wahlkampf in den sozialen Medien eine Bereicherung darstellen: Sie können sich unkompliziert mit den Kandidierenden ihres Wahlkreises vernetzen, sich über Wahlthemen informieren und mit anderen darüber austauschen, an Wahlkampfveranstaltungen online von Zuhause aus teilnehmen und durch Likes, Kommentare oder das Teilen von Beiträgen aktiv am Wahlkampf teilhaben.

Doch sich über soziale Medien über Parteien, Kandidierende und Wahlthemen zu informieren, birgt auch Gefahren:

Filterblase
Im Internet und sozialen Netzwerken werden jeder Nutzerin und jedem Nutzer vornehmlich Beiträge angezeigt, die den eigenen Interessen entsprechen. Dafür sorgen Algorithmen, die mithilfe von persönlichen Daten, die die Plattformen über jeden sammeln, entscheiden, welche Beiträge im eigenen Newsfeed oben erscheinen oder welche Ergebnisse Suchmaschinen anzeigen. Ziel ist es, den User möglichst lange am Bildschirm zu halten, um noch mehr Daten zu sammeln und Werbeanzeigen noch stärker zu personalisieren. Fachleute warnen deshalb vor der Entstehung einer Filterblase (Filterbubble), in der man nur noch von gleichgesinnten Menschen und Weltsichten umringt sei und sich so eine eigene Wirklichkeit im Netz erschaffe. Es gibt allerdings auch Gegner dieser Theorie, die davon überzeugt sind, dass die Informations- und Meinungsvielfalt durch das Internet und die sozialen Medien zugenommen habe und man sich umfassender als früher informieren könne (Quellen: Podcast der Heinrich Böll Stiftung, Podcast der BpB, fluter).

Fake News
Falschmeldungen verbreiten sich oft rasend schnell im Netz und sind als solche nicht immer gleich eindeutig identifizierbar. Werden sie im Wahlkampf gezielt eingesetzt, können sie Ängste schüren, das Image von Kandidierenden nachhaltig beschädigen und Wählerinnen und Wähler verunsichern (Quelle: Podcast der BpB).

Social Bots
Social Bots sind automatisiert gesteuerte Accounts auf digitalen Plattformen, hinter denen sich keine realen Menschen verbergen, sondern Computerprogramme. Diese veröffentlichen selbstständig Inhalte im Netz, reagieren auf Hashtags oder kommentieren Beiträge. Durch ihre Aktivität treiben Social Bots – oft werden sie zu Hunderten als „Armeen“ eingesetzt – Fan- und Followerzahlen nach oben, übernehmen Diskussionen im Netz und können den öffentlichen Diskurs beeinflussen. Denn es wird anderen Nutzern suggeriert, dass viele Menschen eine bestimmte Person unterstützen oder Meinung vertreten, obwohl es sich in Wahrheit um keine Menschen, sondern nur um automatisierte Kommunikation handelt. Mithilfe von Social Bots können Randmeinungen plötzlich als Mainstream wahrgenommen werden, der oder dem Einzelnen wird ein verzerrtes Meinungsbild präsentiert (Quelle: Podcast der Heinrich Böll Stiftung, Podcast der BpB).

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Fazit

„Die Dominanz solcher Extrempositionen in Medienberichten und Meinungsbeiträgen hat mehr mit den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie als mit tatsächlichen Wandlungsprozessen zu tun.“ (Quelle: BpB)

Auch wenn in den Medien vielfach über Phänomene wie Fake News, Social Bots und ähnliches gerade auch vor Wahlkämpfen vermehrt und oft hitzig berichtet und debattiert wird, so stellen sie in Summe weiterhin eine Randerscheinung dar. Ziel solcher Instrumente ist es, Aufmerksamkeit zu erregen, was zwar vielfach gelingt. Doch nachhaltig Wertvorstellungen, Meinungsbilder oder gar Wahlentscheidungen zu beeinflussen, tun sie bisher nicht (Quelle: BpB). Dennoch sollten Wählerinnen und Wähler, die sich in sozialen Medien über Parteien und Kandidierende informieren, wachsam sein, Beiträge kritisch hinterfragen und diese nicht gedankenlos teilen oder kommentieren. Hier ist Medienkompetenz und Eigenverantwortung gefragt, um Fake News und Social Bots von richtigen Nachrichten und echten Menschen unterscheiden zu können.

Schließlich liegt es auch in der Verantwortung der Parteien und Kandidierenden genau abzuwägen, mit welchen Mitteln sie im Internet und sozialen Netzwerken Wahlkampf betreiben möchten. Nicht alle technischen Möglichkeiten müssen auch tatsächlich ausgeschöpft werden. So fordert ein breit gefächertes zivilgesellschaftliches Bündnis die Parteien auf, sich im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 zu einem fairen und transparenten Wahlkampf im Netz zu verpflichten. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Amadeu Antonio Stiftung, LobbyControl und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Unter campaign-watch.de werden Expert:innen den digitalen Wahlkampf mit wachsamem Auge begleiten und ethische und rechtliche Fehltritte der Parteien veröffentlichen (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung).

Eine gemeinsame Selbstverpflichtung der Parteien zur Bundestagswahl 2021 wird es jedoch voraussichtlich nicht geben. Es gab Gespräche zwischen den Parteien, die jedoch nicht zu keinem gemeinsamen Ergebnis geführt haben. Die Grünen haben eine Selbstverpflichtung wie bereits bei der Bundestagswahl 2017 bereits abgegeben, die SPD und DIE LINKE haben eine solche angekündigt. Für FDP und CDU sei ein fairer Wahlkampf, auch im Netz, selbstverständlich. Die AfD will sich an gesetzliche Regelungen halten, eine Selbstverpflichtung halten sie dagegen nicht für sinnvoll (Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland).

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Persönlichkeiten der Demokratie

Das Tagungszentrum der LpB ist ein gebauter Ort für Demokratie und Beteiligung. Dort hat jeder Raum eine Namenspatin oder einen Namenspaten. Dafür wurden 67 Frauen und Männer aus Baden-Württemberg ausgewählt, die sich in besonderer Weise für die Entwicklung der Demokratie und für Menschenrechte eingesetzt haben. 
Persönlichkeiten der Demokratie

Dossiers zu Netzpolitik und Digitalisierung der LpB BW

Netzpolitik

Politik über, mit und durch das Netz

Von der Breitbandabdeckung über Datenschutz zu Cybermobbing: Dieses Dossier vermittelt ein netzpolitisches Grundverständnis. Es beschreibt aktuelle Entwicklungen wie zum Beispiel die Frage nach Medienkompetenz als Unterrichtsfach, erklärt politische Entscheidungen und listet netzpolitische Akteure auf.
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Fake News

Definition, Verbreitung und Auswirkung

Was es mit Fake News genau auf sich hat, welche teils gefährlichen Auswirkungen sie haben können, wer sie verbreitet, wie sie strafrechtlich einzuordnen sind und wie man Fake News erkennt erfahren Sie unter anderem in diesem Dossier.
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Verschwörungstheorien

Was sind Verschwörungstheorien und wie funktionieren sie? Welche Rolle spielt das Internet bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien? Worin bestehen die Gefahren von Verschwörungstheorien? Und wie können sie entkräftet werden? Das sind die Kernthemen dieses Dossiers.
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Hate Speech

Was können wir gegen Hass im Netz tun?

Hasspostings enthalten Äußerungen, die Einzelne oder Gruppen diskriminieren, zum Beispiel wegen ihrer Herkunft, Religion oder sozialen Zugehörigkeit. Wie können wir damit umgehen? Wo gibt es Hilfe im Netz?
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Digitale Demokratie

E-Partizipation, Open Government, Online-Wahlen

Politik findet zunehmend digital statt. Was bedeutet digitale Demokratie? Reicht es, demokratische Prozesse ins Digitale zu verlagern? Wie können wir das Netz zu einem demokratischen Raum gestalten?  Das Dossier gibt Antworten auf diese Fragen und erklärt die wichtigsten Begriffe rund um das Thema digitale Demokratie, Open Government und Online-Wahlen. 
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Datenschutz am Smartphone

Praktische Tipps und Ihre Rechte

Das Smartphone ist ein Instrument zur demokratischen Teilhabe. Doch haben wir die digitalen Spuren im Blick, die wir auf dem Smartphone hinterlassen? Welche Handy-Einstellungen schützen uns? Diese Seite dient als praktische Hilfe, das eigene Smartphone zu sichern, und klärt über die Rechte von Nutzerinnen und Nutzern auf.
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Digitaler Unterricht mit Moodle, H5P und BigBlueButton

Handreichung für Lehrkräfte

Die Nachfrage an Wissen über digitale Lehrmöglichkeiten ist durch die Corona-Pandemie enorm gestiegen. Diese Seite bietet einen Überblick über die Plattform Moodle, das Videokonferenzsystem BigBlueButton und die interaktiven Softwarelösungen von H5P für Lehrkräfte.
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Autonomes Fahren und digitale Ethik

Der Mensch im automatisierten Fahrzeug

Wie soll sich ein "selbstdenkendes" Fahrzeug im Fall eines Unfalls verhalten? Digitale Ethik kann und muss bei diesen Fragen helfen. Dieses Dossier sensibilisiert für die ethischen Fragen im Bereich der Technikentwicklung und zeigt am konkreten Beispiel autonomen Fahrens, was digitale Ethik ist.
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Digitaler Wahlkampf

Auf Stimmenfang im Netz

Wegen der Corona-Pandemie verlagert sich der Wahlkampf überwiegend ins Netz. Doch was heißt digitaler Wahlkampf über soziale Medien? Und was bedeutet das für Parteien, Kandidierende und die Wählerschaft? Unser Dossier bietet einen Überblick. 
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Digitalpolitik der EU

Auf dem Weg zu Europäischer Souveränität?

Die Themen Digitalpolitik und Digitalisierung beschäftigen die Europäische Union (EU) seit vielen Jahren. Der Bereich umfasst komplexe Fragen und Probleme sowie ganz unterschiedliche wirtschaftliche Chancen und politische Herausforderungen. 
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weiterführende Infromationen

Quellen und Links

Videos und Podcasts

Quellen und Links

Letzte Aktualisierung: Juni 2021, Internetredaktion der LpB BW

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